19/12/2019: Deutsche Energiewende: Keine Blaupause für Europa, aber Inspiration für die Welt
• Klimaschutz in Europa an erster Stelle, im Rest der Welt Wirtschaftswachstum
• Europa bewertet die deutsche Energiewende skeptischer als der Rest der Welt
• Weltenergierat veröffentlicht Umfrage unter Experten aus über 60 Ländern
Die deutsche Energiepolitik wird weltweit wahrgenommen und hat Einfluss. So gaben 77 % der weltweit befragten Energieexperten an, dass die Energiewende in Deutschland beobachtet wird, zu Diskussionen oder sogar konkreten Maßnahmen in ihren Ländern geführt hat. Eine Bewertung der deutschen Energiepolitik fällt dabei unterschiedlich aus. 11 % der europäischen Experten bewerten die deutsche Energiepolitik als Blaupause für die Welt, im Vergleich zu 43 % der Experten aus dem nicht-EU Ausland. „Nur wenn wir die spezifischen Prioritäten und Voraussetzungen in den einzelnen Staaten kennen und adressieren, kann die deutsche Energiewende mehr Nachahmer finden und so einen Beitrag zur nachhaltigen Energieversorgung leisten,“ so Carsten Rolle, Geschäftsführer des Weltenergierat – Deutschland anlässlich der Veröffentlichung der Ergebnisse der weltweiten Umfrage „Deutsche Energiepolitik – eine Blaupause für die Welt?“. 119 Energieexperten aus über 60 Ländern teilten darin ihre Perspektive auf die deutsche Energiepolitik sowie auf die Energiesituation in ihren eigenen Ländern mit.
Die Prioritäten von Energiepolitik unterscheiden sich zwischen Europa und dem Rest der Welt deutlich. Während für europäische Experten der Klimaschutz die wichtigste Motivation für einen Energiewende im eigenen Land darstellt (58 %), steht außerhalb Europas das Wirtschaftswachstum an erster Stelle mit 26 % vor Versorgungssicherheit (23 %) und Zugang zu Energie (17 %). Wie sich die Energiewende in Deutschland auf die Wirtschaftskraft auswirkt, ist umstritten: Laut Umfrage erwarten 67 % der europäischen Experten eine Abschwächung der Wirtschaftskraft Deutschlands aufgrund der Energiepolitik bis 2030. Demgegenüber steht eine Mehrheit von Experten aus dem außereuropäischen Ausland, die mittelfristig bis 2030 (57 %) bzw. langfristig bis 2050 (84 %) eine Stärkung der Wirtschaftskraft erwarten. „Die Ergebnisse zeigen, dass noch offen ist, wie sich die Energiepolitik auf die Wirtschaftskraft Deutschlands auswirkt. Erst wenn die Energiewende einen positiven wirtschaftlichen Effekt hat, werden insbesondere auch Länder außerhalb Europas sich stärker ein Beispiel nehmen, “ so Carsten Rolle.
Auch die Bereitschaft, für Klimaschutz höhere Energiepreise zu akzeptieren, wird in Europa zumindest für Haushalte höher eingeschätzt. Die Hälfte der europäischen Experten glauben, dass die Bevölkerung bis zu 20 % höhere Energiepreise für mehr Klimaschutz akzeptieren würde. Im Rest der Welt ist man skeptischer: Die Mehrheit glaubt nicht, dass eine Bereitschaft für höhere Energiepreise für Klimaschutz für Haushalte (66 %) und Industrie (57 %) vorhanden ist. Zugleich sehen über 80 % aller Befragten eine CO2-Bepreisung als wichtige Maßnahme für den Klimaschutz. Für Carsten Rolle wird hier ein Widerspruch sichtbar: „Einerseits gilt eine CO2-Bepreisung als effektiv in der Bekämpfung des Klimawandels. Andererseits existiert kaum eine Bereitschaft, einen Preisaufschlag zu bezahlen, um die notwendigen Investitionen zu realisieren.“ Dieser Widerspruch müsse offen diskutiert und politisch aufgelöst werden.
Hier finden Sie die gesamten Ergebnisse der Umfrage: https://www.weltenergierat.de/publikationen/blueprint-umfrage/