Energie in Deutschland: Stromversorgungssicherheit – Facetten und Herausforderungen
Das deutsche und europäische Stromversorgungssystem befinden sich in einem Transformationsprozess. Während der Ausbau der fluktuierenden erneuerbaren Energien (EE) voranschreitet, geht die Kapazität konventioneller steuerbarer Erzeugung zurück. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung rückt die Frage nach der kurz- und mittelfristigen Stromversorgungssicherheit in den Vordergrund.
Facetten der Versorgungssicherheit
Versorgungssicherheit bei Strom beschreibt die Fähigkeit des Stromversorgungssystems, die ununterbrochene Verfügbarkeit von Elektrizität für die Verbraucher zu gewährleisten, Störungen standzuhalten und sich ggf. von diesen zu erholen. Dabei sind besonders folgende Aspekte von Bedeutung:
– Die Verfügbarkeit ausreichender Erzeugungskapazitäten zur Deckung der Stromnachfrage zu jedem Zeitpunkt.
– Das Gleichgewicht aus Erzeugung und Verbrauch in Echtzeit.
– Die Fähigkeit der Stromnetze, ihrer Transport- und Verteilungsaufgabe nachzukommen.
– Die Absicherung der Stromnetze und Erzeugungsanlagen gegen Eingriffe Dritter (IT-Sicherheit).
– Die Versorgungssicherheit mit Brennstoffen für konventionelle Erzeugungsanlagen.
– Die Stabilität des Systems in Anbetracht des Klimawandels.
Verfügbarkeit ausreichender Erzeugungskapazitäten zur Deckung der Stromnachfrage
Ende 2022 wird in Deutschland das letzte Atomkraftwerk vom Netz gehen, bis spätestens 2038 wird der Ausstieg aus der Kohleverstromung vollständig vollzogen sein. Als Folge stehen bereits heute und auch künftig weniger konventionelle Kraftwerkskapazitäten zur Verfügung. Der zukünftige Rückgang ist dabei insbesondere vom Zu- und Rückbau von Gaskraftwerkskapazitäten abhängig. Dem gegenüber steht der Ausbau fluktuierender, regenerativer Energien, die jedoch im Vergleich zu den konventionellen Kraftwerken eine geringere Verfügbarkeit aufweisen.
Um dem Risiko von Kapazitätsdefiziten entgegenzuwirken, wurden bereits verschiedene Stromreservearten auf nationaler Ebene implementiert. Eine davon ist die in der Netzreserveverordnung (NetzResV) geregelte Sicherheitsbereitschaft. Sie setzt sich aus vorläufig stillgelegten Braunkohlekraftwerken zusammen, die in besonders kritischen Situationen hochgefahren werden können. In 2020 befanden sich rund 2,7 GW Kraftwerksleistung in der Sicherheitsbereitschaft. Bis zum Jahr 2023 wird diese Menge auf ca. 1,2 GW reduziert. Im Jahr 2030 soll es keine entsprechende Reserve mehr geben.
Bei der Ermittlung von möglichen zukünftigen Kapazitätsdefiziten gilt es insbesondere, die sich verändernden Rahmenbedingungen auf der Stromverbrauchsseite zu berücksichtigen. Vor allem mittel- und langfristig ist die Entwicklung der Elektrifizierung der Endverbrauchssektoren von entscheidender Bedeutung. Aktuell besteht jedoch noch große Unsicherheit darüber, wie hoch die Marktdurchdringung von Wärmepumpen und Elektrofahrzeugen in Zukunft sein wird.
Die Frage der Verfügbarkeit ausreichender Erzeugungskapazitäten zur Deckung der Stromnachfrage stellt sich nicht nur in Deutschland. Aus diesem Grund und wegen der grenzüberschreitenden Integration der Stromsysteme sollte sie auf europäischer Ebene beantwortet werden. Denn Defizite in einem einzelnen Land können durch den grenzübergreifenden Stromaustausch mit anderen Ländern aufgelöst werden, aber auch wiederum Defizite in Nachbarländern hervorrufen.
Fazit und Ausblick
Im Zuge der Transformation des deutschen und des europäischen Stromversorgungssystems rücken Fragen der Versorgungssicherheit in den Fokus. Der Rückgang konventioneller Kraftwerkskapazitäten erfordert die regelmäßige Überprüfung und Überwachung der Angemessenheit der installierten Kapazitäten, um ggf. Kraftwerksreserven oder andere Mechanismen zur Bereitstellung von ausreichenden Kapazitäten rechtzeitig zu implementieren. Mittel- und langfristig gilt es außerdem zu adressieren, wie zukünftig Netzfrequenzstabilität gewährleistet werden kann. Diese und andere Fragen in Bezug auf die Versorgungssicherheit mit Strom werden die Transformation des Stromversorgungsystems in den kommenden Jahren begleiten.
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