Energie in der Europäischen Union: Langfristverträge in der europäischen Energiewirtschaft
Seit der Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte in Europa Anfang der 2000er Jahre werden diese Energieträger zunehmend in Form standardisierter Handelsprodukte über Händlerplattformen oder an (Energie-)Börsen gehandelt. Vorher fand der Handel mit Strom und Gas ganz überwiegend über individuelle – und fast immer langfristige – Verträge statt. Im Jahr 2021 durchliefen die Preise im Strom- und Gasmarkt einen enormen Anstieg, der im Winter 2021/2022 zu einem bis dahin beispiellosen Niveau hoher Energiepreise führte. In Anbetracht dieser Entwicklung stellt sich die Frage, ob die Liberalisierung zu weit gegangen ist und die Bedeutung von Langfristverträgen, zum Beispiel für die Versorgungssicherheit, unterschätzt wurde.
Heutige Relevanz von langfristigen Energielieferverträgen
Zurzeit und auch zukünftig kommt bilateralen Langfristverträgen im Markt für verflüssigtes Erdgas (LNG) eine hohe Bedeutung zu, da neue LNG-Exportinfrastruktur für jedes Terminal milliardenschwere Investitionen voraussetzt. Um das Risiko von Fehlinvestitionen zu senken und eine langfristige, kontinuierliche Abnahme zu sichern, ist der Abschluss langfristiger Kapazitätsnutzungsverträge eine der Voraussetzungen, bevor eine finale Investitionsentscheidung getroffen wird. Im Jahr 2020 basierten 60 % der weltweit importierten LNG-Mengen auf Langfristverträgen.
Power Purchase Agreements (PPAs)
Bei PPAs handelt es sich um Vereinbarungen, die den Verkauf und Kauf von Strom zwischen zwei Parteien regeln. In der aktuellen Diskussion beziehen sich PPAs üblicherweise auf Lieferungen von Strom aus regenerativen Energien. PPAs stellen eine Möglichkeit dar, den Betrieb von Anlagen nach dem Auslaufen staatlicher Förderungen aufrecht zu erhalten. Diese Verträge haben in der Regel eine Laufzeit zwischen einem und fünf Jahren, bei Neuanlagen sind es bis zu 20 Jahre.
Perspektive für die Wasserstoffwirtschaft
Es ist zu erwarten, dass Langfristverträgen im internationalen Handel mit Wasserstoff eine zentrale Rolle zukommen wird. Darauf deutet auch das von der deutschen Regierung aufgesetzte Förderprogramm H2Global hin, das den Aufbau von H2-Produktionsanlagen sowie H2-Importe ermöglichen soll, indem die Differenz zwischen Ankaufs- und Verkaufspreis von Wasserstoff per Zuwendung des Bundes für maximal zehn Jahre ausgeglichen wird. Im Rahmen einer Auktion bekommt das günstigste Angebot für den Verkauf von Wasserstoff den Zuschlag und einen langfristigen Vertrag.
Fazit
Langfristverträge stellen aufgrund der Planungssicherheit für Käufer und Verkäufer ein wichtiges Werkzeug, insbesondere bei einem Markthochlauf, dar. Dass die EU über das Jahr 2049 keine neuen Langfristverträge für den Import von Erdgas zulassen will, spiegelt weniger eine sinkende Bedeutung von Langfristverträgen als die politisch gewollte Minderung des Verbrauchs fossiler Energieträger wider. Im Handel mit erneuerbaren Energien in Form von Strom oder Wasserstoff wird Langfristverträgen eine tragende Rolle zukommen, wie heute schon in der Praxis, z. B. durch PPAs oder durch die H2Global-Initiative, deutlich wird.