10/07/2025: CCS gewinnt weltweit an Tempo – wann zieht Deutschland nach?

• Weltenergierat – Deutschland veröffentlicht Jahresstudie Energie für Deutschland 2025 mit dem Schwerpunktthema CCS.
• Rechtliche Voraussetzungen für CCS in Deutschland schaffen – andere Länder sind bereits weiter.
• CO₂-Infrastruktur europäisch denken und gezielt aufbauen.

„Wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen will, wird CCS Teil der Lösung sein müssen“, sagt Dr. Carsten Rolle, Geschäftsführer des Weltenergierat – Deutschland. „Viele Länder haben längst die notwendigen rechtlichen Grundlagen geschaffen. Deutschland hat zu lange gewartet – jetzt braucht es einen verlässlichen Rahmen.“

Carbon Capture and Storage (CCS) gilt weltweit als Schlüsseltechnologie für die Dekarbonisierung industrieller Prozesse. In Sektoren wie der Zement- und Kalkproduktion, der chemischen Industrie oder der Abfallverwertung entstehen Emissionen, die sich technisch derzeit nicht vermeiden lassen. CCS ermöglicht es, CO₂ an der Quelle abzuscheiden und langfristig zu speichern – und damit einen Beitrag zur Klimaneutralität zu leisten. Zudem ermöglicht es perspektivisch Negativemissionen, die notwendig werden, um Restemissionen z. B. in der Landwirtschaft auszugleichen. CCS tritt damit neben die notwendige Vermeidung von CO2-Emissionen als weiteres Element einer Strategie zur Treibhausgasreduktion.

Mit dem im Juni 2025 veröffentlichten Referentenentwurf zur Novelle des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes (KSpG) hat die Bundesregierung einen konkreten Schritt hin zu einer rechtlichen Öffnung von CO₂-Speicherung unternommen. Die Verabschiedung des Gesetzes wird noch im Laufe dieses Jahres erwartet. „Darüber hinaus sind nun eine umfassende Carbon Management-Strategie sowie eine Langfriststrategie für Negativemissionen erforderlich, um die regulatorische Grundlage für die CO₂-Abscheidung, -Nutzung und dauerhafte -Speicherung zu schaffen.“, ergänzt Dr. Carsten Rolle.

Auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für den Markthochlauf von CCS sollten geklärt werden. Da Abscheidung, Transport und Speicherung mit hohen Kosten verbunden sind, stellt sich die Frage, wie Investitionen ausgelöst werden können. In der Diskussion stehen dabei unter anderem Klimaschutzverträge (Carbon Contracts for Difference) als mögliche Lösung, um zusätzliche Kosten der CO₂-Minderung gegenüber dem Marktpreis abzufedern und erste Projekte wirtschaftlich tragfähig zu machen.

Ein zentrales Ergebnis der diesjährigen Energie für Deutschland-Studie: Ohne Infrastruktur kein CCS. Für den Aufbau einer CO₂-Wirtschaft sind Transport- und Speicherlösungen unerlässlich – idealerweise vernetzt über Ländergrenzen hinweg. Projekte wie der Delta-Rhine-Corridor zwischen Deutschland und den Niederlanden können zeigen, wie sich eine europäische CO₂-Infrastruktur frühzeitig koordinieren lässt.

Auch andere Länder treiben den Ausbau voran: In Dänemark wurde erstmals eine Lizenz für die CO₂-Speicherung an Land vergeben – ein Projekt von INEOS, Wintershall Dea und Nordsøfonden, das nationale Speicherkapazitäten erschließen soll. Die Onshore-Speicherung gilt dabei als kostengünstiger als Offshore-Optionen. Gemeinsam mit Projekten wie Northern Lights (Norwegen), Porthos und Aramis (Niederlande) sowie Polaris (Kanada) unterstreicht dies das technische Potenzial von CCS – vorausgesetzt, die politischen Rahmenbedingungen stimmen. Ein europäisch abgestimmter Infrastrukturausbau ist laut der Weltenergierat-Publikation eine Voraussetzung für den Erfolg von CCS. Dabei spielt auch der Zugang zu grenzüberschreitenden Speicherlösungen eine Rolle, solange in Deutschland noch keine eigene Speicherinfrastruktur verfügbar ist.

Aktuelle Zahlen zeigen das dynamische Wachstum: Weltweit sind derzeit über 65 CO₂-Abscheideanlagen in Betrieb, davon 33 in den USA. Laut einer Analyse des Beratungsunternehmens Det Norske Veritas (DNV) könnten zur Jahrhundertmitte global bis zu 1.300 Millionen Tonnen CO₂ jährlich mittels CCS abgeschieden werden – das entspricht rund 6 % der prognostizierten Emissionen im Jahr 2050. Die Investitionen in CCS-Anlagen sollen in den kommenden fünf Jahren auf ca. 80 Milliarden U.S.-Dollar ansteigen. Inwieweit die USA ihre Vorreiterrolle im Bereich CCS weiter ausbauen können, bleibt aktuell offen: Zwar bleiben die Steuergutschriften für CO₂-Abscheidung und -Speicherung im kürzlich verabschiedeten One Big Beautiful Bill Act erhalten, jedoch droht die Pflicht zur Nutzung von CCS bei bestehenden Kohlekraftwerken und neuen Gaskraftwerken ab 2032 gestrichen zu werden. „Eine solche CCS-Dynamik wäre klimapolitisch problematisch für die USA und könnte zu einer geografischen Verlagerung der Ausbaudynamik führen“, so Carsten Rolle.

Die Publikation Energie für Deutschland 2025 steht ab sofort zum Download bereit. Weitere Themen dieser Ausgabe: Schwerpunkte der neuen EU-Kommission, Klima und Energiepolitik der USA, Stromspeicher für die Energiewende, Wärmepumpenlösungen für den Gebäudebestand, Einführung eines Kapazitätsmechanismus in Deutschland, Stand der Umsetzung des Carbon Border Adjustment Mechanism – und vieles mehr.

Über den Weltenergierat – Deutschland e.V.:

Der Weltenergierat – Deutschland repräsentiert durch seine Mitglieder alle Energieträger und Technologien. Er ist die unabhängige Stimme für internationale Energiefragen in Deutschland. Sein Ziel ist es, die globale Perspektive in die nationale Debatte einzubringen und das Energiesystem der Zukunft zu gestalten. Als Teil des World Energy Council vertritt der Weltenergierat das deutsche Energiesystem im größten internationalen Netzwerk der Energiewirtschaft. Seit 100 Jahren setzt er sich weltweit für eine nachhaltige Energieversorgung zum Wohl aller Menschen ein.