Energie für
Deutschland 2022

Lesen Sie im Schwerpunkt Deutschlands Versorgungssicherheit im Kontext aktueller geopolitischer Entwicklungen.

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Vor dem Hintergrund der starken Preisanstiege für Energierohstoffe ab der 2. Jahreshälfte 2021 sowie des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 ist das Thema Energieversorgungssicherheit in Deutschland und Europa erneut stark in den öffentlichen und politischen Fokus gerückt. Das Schwerpunktkapitel der „Energie für Deutschland 2022“ beleuchtet vor dem Hintergrund der aktuellen geopolitischen Entwicklungen Deutschlands Sicherheit der Versorgung mit Energierohstoffen und Elektrizität. Es vergleicht zudem das deutsche Versorgungsrisiko mit dem der übrigen G7-Staaten und leitet Empfehlungen zur Verbesserung der Versorgungssicherheit ab.

Innerhalb der G7-Gruppe weist Deutschland neben Italien das höchste Energieversorgungsrisiko auf. Das langfristige Energieversorgungsrisiko von Staaten wird mithilfe eines selbst entwickelten Indikators gemessen. Deutschlands Energieversorgungssicherheit ist demnach seit dem Ende der 1970er Jahre gesunken, trotz einer deutlichen Steigerung des Erneuerbaren-Anteils am Primärenergiemix auf 16 %. 2021 importierte die Bundesrepublik rund 70 % ihrer benötigten Energie. Russland war dabei mit einem Anteil von ca. 55 % an den Erdgas-, von 50 % an den Steinkohle- und von ca. 34 % an den Erdölimporten der mit Abstand wichtigste Lieferant.

Wird angenommen, dass im Jahr 2030 keine Importe mehr aus Russland stammen, ginge das Versorgungsrisiko entsprechend dem Indikator deutlich zurück. Die Ergebnisse zeigen, welch große Bedeutung einer Diversifizierung bei der Versorgungssicherheit zukommt, nicht nur hinsichtlich der Importländer, sondern auch der Auswahl an Energieträgern und -technologien. Entsprechend ist es zu begrüßen, dass Deutschland mit Blick auf die Erreichung der Klimaneutralität auf zahlreiche andere Energieträger setzt, etwa auf Wasserstoff sowie Wasserstoffderivate, und den Ausbau zahlreicher alternativer Technologien, wie die Stromerzeugung aus Windkraft oder PV, vorantreibt. Nicht zuletzt dienen auch kosteneffiziente Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz der Verbesserung der Versorgungssicherheit.

Deutschlands Energieversorgungssicherheit muss im europäischen Zusammenhang gesehen werden und ist keine rein nationale Angelegenheit – wie nicht zuletzt an der Verbundenheit der europäischen Staaten durch die Gaspipeline- und Stromnetzinfrastruktur erkennbar ist. Autarkie ist nicht erstrebenswert, da sie mit unnötig hohen Kosten verbunden ist und die immensen Vorteile des internationalen Handels und der internationalen Arbeitsteilung außer Acht lässt. Hervorzuheben ist nicht zuletzt die Bedeutung internationaler Partnerschaften – z. B. im Bereich Wasserstoff und Derivate – sowie
von europäischer Kooperation und Koordination, etwa beim Setzen von Standards.

Das Thema Versorgungssicherheit sollte insgesamt nicht nur vorübergehend von hoher politischer Relevanz sein, weil in den kommenden Wintern mit möglichen Versorgungsengpässen bei Erdgas aufgrund potenzieller russischer Lieferstopps gerechnet werden muss. Vielmehr wäre es sinnvoll, wenn Versorgungssicherheit auf politischer Ebene dauerhaft einen ebenso hohen Stellenwert genießen würde wie die anderen beiden Dimensionen des energiepolitischen Zieldreiecks, die Umweltverträglichkeit und die Wirtschaftlichkeit der Energieversorgung.

Der Schwerpunktautor Prof. Dr. Manuel Frondel, Leiter des Kompetenzbereiches Umwelt und Ressourcen am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschafsforschung, stellte die Kernthesen und Schlussfolgerungen des Schwerpunktkapitels am 29. Juni 2022 ca. 120 Teilnehmer:innen im Rahmen eines Webinars vor. Die Präsentation zur Veröffentlichung des Schwerpunktkapitals finden Sie hier.

Stefan Rolle, Ministerialrat und Leiter des Referats Gas im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), kommentierte die Studienergebnisse im Rahmen der Studienveröffentlichung aus Sicht des BMWK und warf einen Blick auf aktuelle Entwicklungen in Deutschland hinsichtlich Energiesicherheit.

 

ENERGIE FÜR DEUTSCHLAND 2022

Energie in Deutschland: Zahlen und Fakten

Im Jahr 2021 wurden in Deutschland 418,5 Mio. t Steinkohleeinheiten Energie verbraucht. Damit gehört Deutschland weiterhin zum Kreis der weltweit zehn größten Energiemärkte. Der Primärenergieverbrauch entspricht 118 kg SKE pro 1.000 € BIP. Im weltweiten Durchschnitt war der Energieverbrauch 2021 – gemessen an der Wirtschaftsleistung – doppelt so hoch wie in Deutschland.

ENERGIE FÜR DEUTSCHLAND 2022

Energie in der Welt: Zahlen und Fakten

2021 kam es, nach einem durch die COVID-19-Pandemie und Lockdown-Maßnahmen geprägtem Jahr 2020, zu einer wirtschaftlichen Erholung und einem Wirtschaftswachstum von 6 %. Der Primärenergieverbrauch der G20-Staaten stieg um 5 % an. Kohle blieb mit einem Anteil von 32 % am Energiemix auch im Jahr 2021 in den G20-Staaten der Energieträger mit dem höchsten Verbrauch, gefolgt von Öl mit einem Anteil von 27 % und Gas mit 22 %. In China, Russland, Brasilien, Südkorea und in der Türkei übertraf der Energieverbrauch 2021 sogar den von 2019.

ENERGIE FÜR DEUTSCHLAND 2022

Energie in der EU: Zahlen und Fakten

Nachdem die wirtschaftliche Entwicklung der Europäischen Union (EU) im Jahr 2020 stark von der COVID-19-Pandemie gebremst worden war, konnte sie sich 2021 erholen. Ende 2021 war das BIP pro Kopf gegenüber 2020 um 7,9 % gestiegen. Diese Entwicklung bildet sich analog in den Volkswirtschaften Italien (+7,7 %) sowie Frankreich und Spanien (jeweils +7,5 %) ab. Mit 6 % fiel der Zuwachs Deutschlands im EU-Durchschnitt unterdurchschnittlich aus.

ENERGIE FÜR DEUTSCHLAND 2022

Energie in der Welt: Erreichbarkeit des 1,5 Grad-Ziels

Das 1,5 Grad-Ziel ist im Klimaabkommen von Paris hinterlegt. Es hat das Ziel, den Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur auf 1,5°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Auch die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag von 2021 das 1,5 Grad-Ziel zum Maßstab ihres Handelns gemacht. Wie realistisch es ist jedoch, dass dieses Ziel erreicht werden kann?

ENERGIE FÜR DEUTSCHLAND 2022

Energie in der Welt: Zukunft Gas

Gas – im Sinne gasförmiger Energieträger – wird auch in der Energiewelt von morgen benötigt. So können große Energiemengen wirtschaftlich über weite Distanzen transportiert sowie gespeichert und stofflich genutzt werden. Mit Blick auf die ambitionierten Klimaziele vieler Länder weltweit, insbesondere das Erreichen von Klimaneutralität, wird der Einsatz von Gas weitestgehend CO2-neutral erfolgen müssen.

ENERGIE FÜR DEUTSCHLAND 2022

Energie in der Europäischen Union: Importabhängigkeit der Europäischen Union von fossilen Energierohstoffen

Da die fossile Energieförderung der EU den Eigenbedarf nicht decken kann, ist sie in erheblichem Umfang auf den Import aus Drittstaaten angewiesen. Dies hat in den vergangenen Jahrzehnten zu einer nahezu stetig gestiegenen Energieabhängigkeit geführt.

ENERGIE FÜR DEUTSCHLAND 2022

Energie in der Europäischen Union: Das Gas- und Wasserstoffpaket der Europäischen Union

Im Dezember 2021 hat die Europäische Kommission mit dem sog. Gasmärkte- und Wasserstoffpaket ein weiteres Gesetzespaket zur Umsetzung des European Green Deal und der Erreichung der angestrebten Klimaneutralität bis 2050 vorgelegt. Zentrale Elemente sind der Rechts- und Regulierungsrahmen für Wasserstoff (H2), neue Vorgaben zur Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden sowie Maßnahmen zur Minderung der Methanemissionen im Energiesektor. Im Einklang mit ihrer H2-Strategie vom Juli 2020 sieht die EU-Kommission den Einsatz von Wasserstoff vorrangig im Industrie- und Verkehrssektor.

ENERGIE FÜR DEUTSCHLAND 2022

Energie in der Europäischen Union: Langfristverträge in der europäischen Energiewirtschaft

Seit der Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte in Europa Anfang der 2000er Jahre werden diese Energieträger zunehmend in Form standardisierter Handelsprodukte über Händlerplattformen oder an (Energie-)Börsen gehandelt. Vorher fand der Handel mit Strom und Gas ganz überwiegend über individuelle – und fast immer langfristige – Verträge statt. Im Jahr 2021 durchliefen die Preise im Strom- und Gasmarkt einen enormen Anstieg, der im Winter 2021/2022 zu einem bis dahin beispiellosen Niveau hoher Energiepreise führte. In Anbetracht dieser Entwicklung stellt sich die Frage, ob die Liberalisierung zu weit gegangen ist und die Bedeutung von Langfristverträgen, zum Beispiel für die Versorgungssicherheit, unterschätzt wurde.

ENERGIE FÜR DEUTSCHLAND 2022

Energie in Deutschland: Energiepläne der neuen Bundesregierung

Die Energiepläne der neuen Bundesregierung finden sich in den Vereinbarungen des Koalitionsvertrags sowie in einem ersten Maßnahmenpaket für ein Klimaschutz-Sofortprogramm, das der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Dr. Robert Habeck, im Januar 2022 im Rahmen einer „Eröffnungsbilanz Klimaschutz“ vorgestellt hat. Mit der russischen Invasion in die Ukraine Ende Februar 2022 sind einige der im Januar 2022 vorgestellten Pläne jedoch bereits von den geopolitischen Entwicklungen eingeholt worden. Insbesondere soll die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern nun schneller reduziert werden, und der Ausbau von EE (noch) stärker forciert werden.

ENERGIE FÜR DEUTSCHLAND 2022

Energie in der Europäischen Union: Vergleich von Kapazitätsmechanismen

International wird zunehmend debattiert, ob der Energy-Only-Markt (EOM) für sich genommen in der Lage ist, ausreichend verfügbare Erzeugungskapazitäten bereitzustellen, um die Versorgungssicherheit gewährleisten zu können. Mehrere Argumente werden diesbezüglich angeführt, darunter nicht prognostizierbare Strompreise aufgrund von Wetterabhängigkeit sowie die Abwesenheit eines Marktes für die langfristige Absicherung von Kraftwerksinvestitionen. Zudem wächst durch die zunehmende Marktdurchdringung von erneuerbaren Energien die Befürchtung, dass der EOM keinen oder nur noch einen geringen Teil zur Amortisation der Investitionskosten beitragen kann.